Die Expertise der Theoretischen Teilchenphysik der Uni Graz ist international gefragt: Neben den Universitätsprofessoren Reinhard Alkofer, Christof Gattringer und Axel Maas – uni.on berichtete – ist nun auch Dr. Hèlios Sanchis-Alepuz Mitglied in einem Forschungsnetzwerk des Förderprogramms COST (Cooperation in Science and Technology) der Europäischen Kommission. Das Großforschungsprojekt „Cosmology and Astrophysics Network for Theoretical Advances and Training Actions (CANTATA)“ hat sich ein hohes Ziel gesteckt: Einsteins Relativitätstheorie in einer Weise zu ergänzen, dass sie für das gesamte Universum Gültigkeit erhält, ohne auf die Annahme von sogenannter dunkler Materie und dunkler Energie zurückgreifen zu müssen.
Dass wir heute mittels GPS exakte Positionsbestimmungen vornehmen können, verdanken wir dem genialen Physiker Albert Einstein (1879-1955). Seine Relativitätstheorie, welche die Struktur von Raum und Zeit und das Wesen der Gravitation beschreibt, lieferte die Grundlagen für die Berechnungen, auf die sich das Global Positioning System GPS stützt.
„Einsteins Theorie lässt sich erfolgreich in unserem Sonnensystem anwenden, etwa im Zusammenhang mit den Bewegungen der Planeten. Aber auf größeren Skalen, bei Distanzen von Millionen und Milliarden Lichtjahren funktioniert sie nicht mehr ohne Zusatzannahmen“, weiß Univ.-Prof. Dr. Reinhard Alkofer, einer der Leiter der Arbeitsgruppe Theoretische Teilchenphysik an der Uni Graz. So lasse sich zum Beispiel das Verhalten von Galaxien oder auch das Phänomen, dass sich das Universum mit zunehmender Geschwindigkeit immer weiter ausdehnt, mit der Relativitätstheorie in ihrer jetzigen Form nicht erklären.
Auf der Suche nach einer Lösung für dieses Dilemma nehmen manche ForscherInnen die Existenz von sogenannter dunkler Materie und dunkler Energie an, die nicht sichtbar bzw. bisher nicht direkt messbar ist und zu der es mehrere Vorschläge gibt. WissenschafterInnen, die das für unwahrscheinlich halten, verfolgen einen anderen Weg: Einsteins Relativitätstheorie so zu modifizieren, dass sie das gesamte Universum erklären kann. Ihre Frage lautet: Gibt es Anteile in der Gravitation, sprich in der gegenseitigen Anziehung von Massen, die erst bei größeren Distanzen von Millionen bis Milliarden Lichtjahren gültig werden?
Das neue europäische Forschungsnetzwerk zur Kosmologie und Astrophysik hat sich für genau diesen Weg entschieden. „Wir arbeiten an einer Erweiterung der Relativitätstheorie durch zusätzliche Terme – also Ergänzungen –, ohne die Theorie in ihrem grundsätzlichen Konstruktionsprinzip zu verändern“, erklärt Hèlios Sanchis-Alepuz, der als einziger Vertreter Österreichs auch ins Management Committee des COST-Netzwerks berufen wurde. „Ziel ist, die beobachteten Phänomene der Kosmologie im gesamten Universum in Übereinstimmung mit einer modifizierten Relativitätstheorie zu bringen, ohne zusätzliche Materie und Energie ins Spiel bringen zu müssen.“
Hèlios Sanchis-Alepuz war nach Abschluss seines Masterstudiums an der Universität Valencia/Spanien Mitglied des vom FWF geförderten Doktoratskollegs „Hadronen im Vakuum, in Kernen und in Sternen“ am Institut für Physik der Uni Graz. Derzeit forscht er mit einem Erwin-Schrödinger-Stipendium des FWF als Postdoc an der Karl-Franzens-Universität.