Was passiert, wenn ein Sonnenstrahl auf eine Solarzelle trifft? Binnen ultrakurzer Zeit trennt das Licht die Elektronen auf und produziert so Strom. Um diesen Vorgang beobachten und sogar steuern zu können, braucht man höchst aufgelöste Aufnahmen im Nanometer- und Attosekunden-Bereich – das sind 0,000000000000000001 Sekunden. Für die Entwicklung eines derartigen Verfahrens hat ein Physiker-Team aus Graz, Jülich und Regensburg einen ERC Synergy Grant erhalten – eine der höchsten Förderungen, die der Europäische Forschungsrat vergibt.
Elektronen haben keinen festen Aufenthaltsort innerhalb von Atomen und Molekülen, sondern schwirren in gewissen Raumbereichen herum – den sogenannten Orbitalen. „Diese sind der Schlüssel, um chemische Reaktionen und Prozesse, wie sie bei Quantencomputern oder in Solarzellen auftreten, besser zu verstehen“, schildert Peter Puschnig vom Institut für Physik der Universität Graz. Mit einem von ihm maßgeblich entwickelten Verfahren ist es gelungen, Elektronen-Orbitale aus Messdaten zu rekonstruieren. In dem nun geförderten Gemeinschaftsprojekt „Orbital Cinema“ gehen die Physiker noch einen Schritt weiter: „Wir wollen wie in Zeitlupe sehen, wie sich Orbitale verändern, wenn sich etwa chemische Bindungen bilden oder aufbrechen oder Ladungen trennen“, erklärt Puschnig.
Die große Herausforderung besteht in der dafür nötigen Zeitauflösung. „Eine Attosekunde verhält sich zu einer Sekunde wie ein Wimpernschlag zum Alter unseres Sonnensystems“, veranschaulicht der Forscher. In Regensburg wird dafür ein eigenes Experiment aufgebaut. Damit lässt sich die Bewegung der Elektronen nicht nur beobachten, sondern sogar steuern. „Es gelingt uns also, Quantenzustände zu manipulieren und die Wechselwirkung zwischen Licht und Elektron zu beeinflussen – was wiederum für optimierte Solarzellen relevant werden könnte“, so der Physiker.
Peter Puschnig hat zu dem gemeinsamen Vorhaben die theoretischen Grundlagen beigesteuert. Außerdem spielen seine Simulationsverfahren eine entscheidende Rolle bei der Interpretation der Experimente, die die Gruppen von Ulrich Höfer, Rupert Huber und Projektkoordinator Stefan Tautz in Regensburg durchführen. Das Projekt „Orbital Cinema“ ist aus rund 360 Anträgen in einem dreistufigen Verfahren als eines von 29 für die Förderung ausgewählt worden. Insgesamt erhalten die Forscher elf Millionen Euro für sechs Jahre, nach Graz gehen davon 1,9 Millionen.