Licht ist elektromagnetische Strahlung mit einer Frequenz, die das menschliche Auge wahrnehmen kann. Wenn Ionen – das sind elektrisch geladene Atome oder Moleküle – schwingen, tun sie das mit einer niedrigeren Frequenz im Infrarot-Bereich, jenseits des sichtbaren Spektrums. Physikern der Karl-Franzens-Universität Graz ist es in Kooperation mit Kollegen der Rutgers University in New Jersey/USA erstmals gelungen, die Schwingungen eines Ionengitters im Detail sichtbar zu machen und damit in einen bisher verborgenen Bereich der Physik vorzudringen. Möglich wurden diese Blicke in die Nanowelt durch eine neue Generation von Elektronenmikroskopen mit extrem hoher räumlicher und spektraler Auflösung. Auf Basis dieser Einsichten sind vielfältige innovative Anwendungen denkbar, von hauchdünnen Strukturen, die Räume schalldicht machen, bis hin zu thermoelektrischen Bauelementen, mit denen sich die Abwärme unseres Körpers zur Energieversorgung von tragbaren elektronischen Geräten nutzen lässt. Die aktuellen Erkenntnisse wurden in der jüngsten Ausgabe des Fachjournals „Nature“ publiziert.
Als Ionengitter oder auch Ionenkristall bezeichnet die Physik die regelmäßige räumliche Anordnung von positiv und negativ geladenen Ionen, die sich gegenseitig anziehen und auf diese Weise einen Verbund bilden. Salze und salzähnliche Verbindungen bestehen aus Ionengittern. Schwingungen dieser Kristalle sind unter anderem für den Wärmetransport und die Ausbreitung von Schall verantwortlich.
„Wir haben die Gitterschwingungen eines Nano-Würfels aus Magnesiumoxid untersucht“, berichtet Ao.Univ.-Prof. Dr. Ulrich Hohenester, der gemeinsam mit Dr. Andreas Trügler am Institut für Physik der Karl-Franzens-Universität Graz mittels Computersimulationen überprüfte, was die Projektpartner an der Rutgers University mit dem Elektronenmikroskop beobachteten.
Durch den „Beschuss“ mit Elektronen versetzten die Forscher das Ionengitter des Würfels in Schwingung. Je stärker die Anregung der Ionen, umso mehr Energie wird dem Elektronenstrahl entzogen. Somit können aus dem gemessenen Energieverlust die Schwingungsmoden bestimmt werden.
„Trifft ein Elektron eine bestimmte Stelle des Würfels, so kann es viele verschiedene Moden anregen. Indem der Elektronenstrahl über die Probe bewegt wird, lassen sich die Gitterschwingungen dank des neuartigen Mikroskops mit Nanometer-Ortsauflösung und Terahertz-Frequenzauflösung betrachten“, erklärt Hohenester. In anderen Worten: Es ergibt sich ein detailliertes Bild, wie die Ionen an den verschiedenen Stellen des Würfels schwingen. Diese präzise Charakterisierung ebnet den Weg für revolutionäre Entwicklungen zur gezielten Steuerung von Schall und Wärme mit bisher unerreichter Präzision.
Publikation
Mapping vibrational surface and bulk modes in a single nanocube
Maureen J. Lagos, Andreas Trügler, Ulrich Hohenester, Philip E. Batson
Nature, DOI: 10.1038/nature21699